neo bei der SDL Trados Roadshow 2018

Frei nach dem Motto "Wer rastet, der rostet" haben sich zwei Entsandte der neo auf den Weg von Kreuzlingen nach Zürich zur dortigen SDL Trados Roadshow 2018 gemacht. Neben dem mixing and mingling mit bekannten und unbekannten Gleichgesinnten stand für uns dort vor allem das Sammeln neuer Erkenntnisse aus der SDL-Welt auf der Tagesordnung; vorrangig zur neuen Version SDL Trados Studio 2019 und zum aktuellen Stand bei der Maschinellen Übersetzung (MÜ).

20/20 2019?

Besonders gespannt waren wir bei der neo auf erste Einblicke in den neuesten Release von SDL: SDL Trados Studio 2019. Die entsprechende Präsentation versprach vor allem mehr Überblick (oder Durchblick?), eine intuitivere Steuerung des Tools für und eine kontinuierliche Wissenserweiterung bei den AnwenderInnen. Das alles zusammengefasst unter dem schönen Bonmot UX (User Experience), das übrigens gar nicht so leicht in die deutsche Sprache zu übertragen ist: "Benutzererfahrung", "Benutzererlebnis" und "Anwendererfahrung" waren da nur einige Vorschläge. Wir haben uns jetzt intern auf "Nutzererlebnis" geeinigt.

SDL Trados Studio 2019 steht unter dem Motto "Einfach schneller zum Ziel". Darin spiegelt sich die Herausforderung wieder, ein optimales Nutzererlebnis mit der geforderten Leistungstiefe des Produktes zu vereinen. Vor allem Neueinsteiger sollen mit den vielen Funktionen und Möglichkeiten, die einem SDL Trados Studio bietet, nicht überfordert werden, sondern möglichst intuitiv mit an Bord genommen werden. Dazu führt einen das neue Studio nun weitestgehend unaufgefordert durchs Programm (Walk Me-Feature) und ermöglicht mithilfe einer Universal-Suchleiste eine bessere und schnellere Erreichbarkeit von Funktionen, Befehlen, Einstellungen und Hilfethemen (Tell Me-Feature). Ein Schelm, wer hier an die berühmt-berüchtigte Büroklammer aus Microsoft Word denkt …

Das "Mitanbordnehmen" ist ein zentrales Thema der neuen Version, gibt es doch dazu passend für das Projektmanagement nun einen sogenannten Metroplan, der mittels One Step eine schnellere und übersichtlichere Projektanlage ermöglichen soll. Next stop: Next Project also. Mit den Features Datei schnell hinzufügen und Datei aktualisieren sollen sich laufende Projekte nun auch problemloser um zusätzliche Dateien erweitern lassen. Hier werden die grundlegenden Batch-Tasks dann auch automatisch ausgeführt. Eine sinnvolle Erweiterung, vor allem wenn man weiss, wie häufig Dateien noch nachträglich beauftragt werden.

Bei der Qualitätssicherung, einem Bereich, in dem wir uns über drastischere Erweiterungen gefreut hätten, hat sich nicht wirklich viel getan: Es können nun aber immerhin sprachspezifische Einstellungen in mehrsprachigen Projekten für den QA Checker erstellt (u. a. Einbindung von Wortlisten für jede Sprache) und so noch mehr Sicherheit bei der Übersetzung komplexer Projekte erreicht werden.

Eine weitere, gern gesehene Neuerung ist die direkte Bearbeitbarkeit eines zusätzlichen Dateityps, der sich bislang nur über einen Workaround in Trados Studio übersetzen liess: .vsdx aus Microsoft Visio. Darüber hinaus freuen wir uns über die Möglichkeit einer übersichtlicheren Navigation in der Translation Memory-Ansicht mit Gesamtseitenübersicht und einzelner Seitenauswahl sowie über mehr Flexibilität bei der Bestätigung von Änderungen im Übersetzungsspeicher: Hier kann der alte Suchauftrag nun entweder gelöscht oder erneut angewendet werden. Auch in einem CAT-Tool sind es eben die kleinen Dinge, die die meiste Freude bereiten.

Alles in allem kann man für den Moment somit überwiegend von ein paar netten, neuen Errungenschaften – um nicht Gimmicks zu sagen – sprechen, deren Funktionalität und Praktikabilität sich teils aber auch erst noch herausstellen müssen. SDL Trados Studio 2019 wird also wohl eher kein game changer werden, aber muss es das sein?

Eine kleine Erwähnung soll an dieser Stelle auch noch Passolo 2018 zuteilwerden, in dem die Anbindung von SDL Trados Studio und SDL Multiterm verbessert worden sein soll, u. a. durch die Möglichkeit von Stringlist-Exporten für die Bearbeitung in Trados Studio. Wir sind gespannt, was hier noch kommt.

MÜhsam nährt sich das Eichhörnchen

Ein Thema, um das man in der Übersetzungsbranche in der nächsten Zeit keinen Bogen schlagen kann, ist der Einsatz von MÜ. Deshalb stand das Thema auch in Zürich (fast) ganz oben auf der Agenda. Auch dazu durften wir seitens SDL einiges Interessantes erfahren, schliesslich lassen sich auch in ihren Produkten auf eigenen Wunsch Plug-ins zu MÜ-Engines wie zum Beispiel DeepL Pro über den AppStore erwerben und integrieren.

Zunächst gab es einen kurzen historischen Exkurs zur Entwicklung der MÜ von regelbasierten über statistische hin zu gegenwärtig neuronalen Systemen sowie einen Überblick über Branchen, in denen MÜ laut SDL bereits regelmässig zum Einsatz kommt oder in denen es grosses Potenzial für ihre Anwendung gibt (u. a. Life Sciences, Finanzdienstleistungen oder Behörden der Luft-/Raumfahrt und Verteidigung). Dabei wurde ersichtlich, dass MÜ gegenwärtig vor allem dann zum Einsatz kommt, wenn es nicht um "druckreife" Übersetzungen bzw. Übersetzungen mit einer grossen Publikumswirksamkeit geht, sondern eher bei Texten, die "verständlich" sein müssen und bei denen hie und da Abstriche hinsichtlich Stil, Grammatik und korrektem sprachlichen Transfer gemacht werden können. Oder da wo gezieltes Post-Editing durchgeführt wird.

Ausserdem ist in Zeiten von jüngst (oder sollte man eher sagen "spät") eingeführten Datenschutzgrundverordnungen die MÜ ein durchaus heikles Thema. Schliesslich arbeitet man in der Übersetzungsbranche sehr häufig mit kundeninternen und höchst vertraulichen Daten. Die darf, kann und sollte man nicht zur schnellen Übersetzung in die fremde Cloud jagen (ungeachtet der angewendeten, Cloud-basierten Engine). Und zumindest bei Google weiss man, dass, sobald eine Übersetzung aus dem Translator verwendet und bestätigt wird, ein Feedback in die Cloud stattfindet; diese Übersetzung ist dann gemeinschaftliches Eigentum und gehört nicht mehr nur dem eigentlichen geistigen Eigentümer des Inhalts. Angesichts dieser Thematik bietet SDL eine lokale und kundenangepasste MÜ-Engine an, die man separat erwerben kann: Enterprise Translation Server (ETS) 8.0. Eine Alternative könnte auch DeepL Pro sein, das die verwendeten Daten nicht in die Cloud "zurückfüttert"; in der Schweiz allerdings ist dieses Plug-in aktuell leider noch nicht zu erwerben.

In(ne)halte(n)

Ebenfalls angesprochen wurde das Thema "Content" im Übersetzungsprozess und das Ineinandergreifen von Content Management Systemen (CMS) und Translation Memory Systemen (TMS).

Wenn eine Suchmaschine mit ihrem eigenen Verb Einzug in den Duden findet, dann ist es nicht schwer zu glauben, dass minütlich an die 70 Millionen Suchanfragen an das WWW gestellt werden. Das heisst gleichzeitig, dass täglich mehr und mehr Inhalte verwaltet werden müssen (Stichwort CMS). Gerade was digitale Inhalte anbelangt, ist deren Volumen im neuen Jahrtausend rapide angestiegen und es ist derzeit keine Trendwende in Sicht. Die Bedeutung und vor allem Verwendungsvielfalt des Inhalts selbst nimmt ebenfalls stetig zu – somit zwangsläufig auch des multilingualen – und dieser wird quasi zu einer Art neuem "Vertriebsmitarbeiter" der Unternehmen, die den Content bereitstellen. Inhalt, dessen Qualität und Quantität, ist somit also direkt an der Umsatzgenerierung beteiligt.

SDL prognostiziert, dass man sich als Übersetzungsdienstleister in den kommenden Jahren auf viele interessante, neu zu übersetzende Inhalte insbesondere aus den Regionen Afrika, Ozeanien, Asien und Lateinamerika freuen darf. Denn so manches Unternehmen musste schon schmerzhaft am eigenen Leib erfahren, was es heisst, für eine Markteinführung unabdingbare Informationen in den entsprechenden Sprachen nicht zur Verfügung stellen zu können. Folglich darf man zukünftig womöglich eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Übersetzungsdienstleistern hinsichtlich der Bereitstellung von Inhalten zur Übersetzung erwarten (Stichwort TMS).

Fortsetzung folgt

Da man sich ja bekanntlich das Beste bis zum Schluss aufsparen soll, waren das abschliessende Highlight der diesjährigen Roadshow die für den Nachmittag angesetzten Schulungen zu den Themen Translation Quality Assessment (TQA) und Translation Memory (TM) mit SDL-Fachberater Ziad Chama. Mit Fachwissen, Humor sowie einer Prise Selbstironie wurde z. B. Licht in das Dunkel einer effektiven Übersetzung zweisprachiger Excel-Tabellen in SDL Trados Studio gebracht. Nicht für jeden Teilnehmer etwas Neues, aber in jedem Fall eine Auffrischung wert.

In diesem Sinne werden wir zweifelsohne wieder einen Platz in unserem Kalender für die SDL Trados Roadshow 2019 freihalten und sind schon gespannt, was dann auf der Agenda stehen wird. Auf jeden Fall freuen wir uns auf ein Wiedersehen mit Kunden, Lieferanten, Freunden und Bekannten.

neoni[at]neo-comm.ch

 

Quelle Bilder: Website und Präsentationsunterlagen von SDL plc