Deutsche Sprache, schwere Sprache

So wie einem Spanisch schon einmal Spanisch vorkommen kann1, ist auch Deutsch für einen (eigentlich) Muttersprachler nicht immer gleich aufs erste Wort zu verstehen.

Das liegt daran, dass die deutsche Sprache, wie auch Spanisch zu den sogenannten plurizentrischen Sprachen zählt. Diese haben in mehreren Ländern den Status einer offiziellen Landessprache, dienen der öffentlichen Kommunikation und sind massgeblich am Identitätsgefühl ihrer SprecherInnen beteiligt – auch in der Abgrenzung von anderen nationalen Varietäten. Die einzelnen Varietäten der Sprache sind weder Dialekte noch selbstständige Sprachen, sondern länderspezifische Ausprägungen, mit Unterschieden in Aussprache, Wortschatz, Grammatik, Schreibweise und Sprachverwendung.

In diesem Blogeintrag soll ein kleiner Beitrag dazu geleistet werden, so dass wir uns als Nachbarn im deutschsprachigen Raum noch ein bisschen besser verstehen.

Varietäten – drei Wörter, eine Bedeutung

Wörter, die in einer der drei Varietäten geläufig und typisch sind, in den anderen aber nicht, bezeichnet man entweder als Austriazismen (Österreich), Helvetismen (Schweiz) oder Teutonismen (Deutschland). Diese Varietäten sind manchmal gar nicht so schwer zu verstehen, in anderen Fällen steht man da «wie der Ochs vorm Berg», in der Schweiz allerdings «wie der Esel am Berg».

Die ersten Unterschiede fangen schon bei der Begrüssung an. Je nach Tageszeit wünscht man sich in Deutschland einen Guten Morgen!, Guten Tag! und Guten Abend!, in Süddeutschland und Österreich sagt man zu jeder Tageszeit Grüß Gott!, in der Schweiz und in Österreich begrüßt man sich in der Früh mit Guten Morgen!; einen Guten Tag! und einen Guten Abend! wünscht man sich in Österreich eher selten. Unter Freunden begrüsst man sich dort mit Hallo!, Servus!, Grüß dich! oder Grüß euch! (Guten Tag! hört man nie), während in der Schweiz ein Grüezi (miteinand)! bzw. Grüessech! (Bern) oder Griezi! (Basel) fast immer passend ist. Befreundete, sich duzende SchweizerInnen begrüssen sich auch mit Hoi (zämme)! oder Salü!.

Bei der Verabschiedung heisst es in der Schweiz formell und zu jeder Tageszeit Auf Wiederluege! oder Auf Wiedersehe! bzw. freundschaftlich Ciao!. Analog dazu sagen VertreterInnen der österreichischen Varietät (Auf) Wiedersehen! oder (Auf) Wiederschau’n!, und unter Freunden ebenfalls Ciao!, oder Pfiat‘ di!, Pfiat‘ euch! und vor allem in Wien Baba!. In Deutschland heisst es formell Auf Wiedersehen oder weniger formell wird das auch in Österreich bekannte Tschüss verwendet. In Südwestdeutschland gibt es zudem noch Ade!.

Wo Wiener Frankfurter sind

Wenn man sich das Thema Essen und Trinken genauer anschaut, finden sich im Folgenden noch einige bekömmliche Unterschiede: Deutsche finden Aprikosen, grüne Bohnen, Edelkastanien und Feldsalat besonders lecker und sind sich bis auf den Nüsslisalat und die Marroni (mit Doppel-R) mit den SchweizerInnen einig, während den ÖsterreicherInnen Marillen, Fisolen, Maroni und Vogerlsalat schmecken. Möhren (D), Karotten (A) und Rübli (CH) sind drei Bezeichnungen für das gleiche Gemüse, jedoch nur im jeweiligen Land. Klar ist jedoch, dass die WienerInnen Frankfurter essen, während in Deutschland und in der Schweiz die Wiener auf den Tellern landen. Und gegen Quark in Deutschland und der Schweiz steht der österreichische Topfen ganz alleine im Kühlregal.

Die Mischung aus Wein und Mineralwasser (CH: Mineral) wird in Deutschland (und mittlerweile auch in der Schweiz) als Schorle bezeichnet; traditionelle SchweizerInnen bestellen allerdings einen gespritzten Weissen oder Roten. Ähnlich ist es in Österreich, wo man einen Weißen G’spritzten oder einen Weißen Spritzer bestellt.

Der Ton macht die Musik

Nicht nur die Wörter, auch deren Betonung kann sich ändern: VertreterInnen der deutschen Varietät kaufen Tabak im Tabakladen und trinken danach einen Kaffee im Café, in Österreich bekommt man Tabak in der Trafik und den Kaffee dann im Kaffeehaus (am liebsten einen Verlängerten oder eine Melange). SchweizerInnen bestellen einen Kaffee oder einen Kaffi Crème oder eine Schale, also einen Milchcafé mit Milchschaum.

Neben der Betonung ist auch die Aussprache allgemein anders. So mag man sich als Deutscher noch damit brüsten, dass man die Österreicher doch super versteht, doch auch hier kann man gerne mal den Eindruck haben, man hätte Paradeiser – oh, Verzeihung – Tomaten auf den Ohren. In der Schweiz werden ganz andere Geschütze aufgefahren, oder zumindest hört es sich für manche Ohren so an. Das liegt unter anderem daran, dass die Schweizer eine weitere Lautverschiebung mitgemacht haben, die man in den anderen Varietäten überwiegend ignoriert hat. Am bekanntesten dürfte hier die Verschiebung von /k/ zu /ch/ manchmal auch /kch/ sein, wie zum Beispiel in Kind und Chind. Vielleicht eine kleine Aufmunterung: In allen drei Varietäten gibt es Dialekte, die so unterschiedlich sind, dass man seine eigenen Landsleute manchmal nicht versteht.

Der, die, das – Artikel und andere grammatische Unterschiede

Die Verwendung unterschiedlicher Wörter ist eine Sache, grammatische Unterschiede können allerdings sehr verwirrend sein und eventuell zu vorschnellen Korrekturwünschen führen.

Fangen wir bei den Substantiven an: Ein Deutscher schreibt eine E-Mail an seinen österreichischen und seinen Schweizer Kollegen, das diese dann beantworten. Das Monat Jänner ist in Österreich korrekt und geläufig wie das Joghurt, worüber Deutsche nur den Kopf schütteln können und es lieber bei der Joghurt und der Monat belassen möchten. Ganz im Sinne der Schweizer Neutralität, kommen VertreterInnen der schweizerischen Varietät kommen beim Joghurt Österreich zu Hilfe, bei der Monat stimmen Sie jedoch mit dem grossen Nachbarn überein. Neben den Artikeln unterscheidet sich zum Teil auch die Pluralbildung. So wird in Süddeutschland, in Österreich und der Schweiz der Plural überwiegend mit Umlauten gebildet. Es heisst also der Kragen und die Krägen anstatt die Kragen.

Weiter geht es bei den Verben. In Österreich und der Schweiz werden Verben, die eine Körperhaltung ausdrücken, im Perfekt mit sein gebildet. Während Österreicher und Schweizer also am Strand in der Sonne gelegen sind, haben die Deutschen daneben gesessen. Auch Präpositionen werden zum Teil unterschiedlich verwendet. So sind die Österreicher zum Beispiel am Weg, während Deutsche auf dem Weg sind. Wohin? Na, zum Konzert bzw. an ein Konzert (CH).

ÖsterreicherInnen setzten übrigens auch Beistriche wo Deutsche und SchweizerInnen ein Komma setzen, dafür verwendet man in der Schweiz schon lange kein Esszet [ß] mehr sondern ein Doppel-s.

Woher kommen die Unterschiede?

Um diese Frage zu beantworten, könnte man ganze Abhandlungen schreiben. Auffällig sind jedoch die Einflüsse verschiedener anderer Sprachen. In Österreich finden sich zum Beispiel Lehnwörter aus dem Englischen, Lateinischen, Slowenischen, Tschechischen, Slowakischen und Ungarischen, während die Lehnwörter in der Schweiz unter anderem aus dem Französischen, Italienischen, Englischen und Lateinischen stammen. Auch Deutschland kann sich vor diesen Einflüssen nicht verschliessen (Latein, Altgriechisch, Italienisch, Französisch, slawische Sprachen, Arabisch, Englisch), auch wenn es einige mehr oder weniger gelungene Versuche gab, diese Lehnwörter durch andere Wörter zu ersetzen. Aber mit Gesichtserker würde man höchstens eine nicht so schöne Nase beleidigen und die Tatsache, dass sich die Garage gegen den Kraftwagenschuppen durchsetzen konnte, erspart den SchülerInnen auch schon ein paar Vokabeln im Fremdsprachenunterricht.

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Für Interessierte gibt es auch hierzu einen Blogartikel: http://www.neo-comm.ch/blog/detail/das-kommt-mir-spanisch-vor/